Toribio Osterkamp

Über zehn Jahre Nationalkader, ungezählte deutsche Meistertitel, Europameister, Cupsiege am laufenden Band – und zehn Jahre nach Beendigung der aktiven Karriere technisch besser denn je zuvor: das ist Toribio Osterkamp.

Der in Madrid geborene Hamburger erfuhr durch Peter Schröder im Dojo „Agon“ eine solide und technisch ausgefeilte Grundausbildung im Shotokan-Karate. Bei einem Lehrgang mit Ochi-Sensei in Hamburg fiel er auf, als er viermal hintereinander mit einem Ashi-barai seinen wesentlich höher graduierten und eigentlich erfahrerenen Partner zu Boden brachte. Die Einladung zu den damaligen Bundesbestenlehrgängen (BBL), die mit dem Kadertraining verbunden waren, folgte auf dem Fuße. So kam der junge Schwarzgurt 1981 zum BBL nach Salzgitter und zur Nationalmannschaft. Er fand ein homogenes Kader vor, in das er hineinwachsen konnte.

Mit seiner Entscheidung, der Berufung in das Nationalkader zu folgen und der dadurch bedingten noch größeren Trainingsintensität, hatte Toribio Osterkamp seine berufliche Karriere in den Hintergrund gestellt. Zwar blieb der Bankkaufmann seinem Beruf bis heute treu, aber er verzichtete auf eine innerbetriebliche Höherqualifizierung, weil sich das zeitlich mit seinem Trainings- und Kaderengagement nicht unter einen Hut bringen ließ. Gleichwohl stellt er heute fest, daß die über die zehn Jahre Kaderzugehörigkeit sehr hart, aber auch sehr schön waren. Sie haben seinen Horizont erweitert. Neben vielen Interna der deutschen Karateszene hat er auch viel von anderen Ländern und Kulturen gesehen. Vor allem die Begegnung mit den unterschiedlichsten Karateka aus allen Kontinenten haben ihn beeindruckt. Insgesamt sieht er diese prägenden zehn Jahre für seine Entwicklung positiv an. Sie haben ihn unter anderem zu dem werden lassen, was er heute als Bankkaufmann und DJKB-Instrucotr ist.

T. Osterkamp war von Beginn an ein Mann des Kumite und der Kata gleichermaßen, so wie sein Freund und Instructor-Kollege Marijan Glad. Eine Kunst, die heute fast nur noch im traditionellen Shotokan von wenigen beherrscht wird. Im „All-Style“ Karate der sogenannten „offiziellen“ Verbände wie DKV und WKF findet man schon seit etlichen Jahren keine Nationalkader mehr, die Kumite und Kata gleichermaßen wettkampfmäßig trainieren. Diese parallele Ausrichtung zeichnet Osterkamp besonders aus und zieht sich durch seine Lehrtätigkeit als roter Faden. Wenn er auch vor allen Dingen im Kata-Shiai seine größten Erfolge erzielte, sowohl im Einzel wie im Team mit Marijan Glad und Herbert Perchtold (dem damaligen „Dream-Team“), so kam das Kumite-Shiai nicht zu kurz. In jenen Jahren hatten die Kata-Leute das volle Kadertraining mit den Kumite-Startern zu absolvieren und anschließend ging die Quälerei für sie mit dem Katatraining alleine weiter. Physisch unterlagen sie damit fast einer Doppelbelastung.

Bedingt durch die Gewichtsklassen im DKV konnte der junge Nationalkämpfer Osterkamp sich auch im Kumite in die vorderen Ränge vorkämpfen (zu seinen Erfolgen siehe die homepage des DJKB www.djkb.com) und trat auch international an. Bei der damaligen WUKO WM in Sydney kam er als Einzelkämpfer in seiner Klasse bis …kg bis in das Viertelfinale (5. Platz). Zwar haben auch kleinere Kämpfer wie er durch die Gewichtsklassen größere Chancen auf Medaillengewinne, aber diese Einteilung nach Gewicht hält der DJKB-Instructor dem Karate gegenüber für kontraproduktiv. In einem sogenannten Nicht-Kontakt-Sport nach Gewicht Klassen einteilen, widerspricht dem Sinn des Karate. Wenn schon Klassen im Kumite, dann vielleicht zwei nach Körpergrößen, z.B. unter und über 180 cm Körperlänge bei Männern. Diesen Weg ist übrigens der Karateverband von Okinawa seit einigen Jahren bei seinen internationalen Turnieren gegangen.

Im Rückblick auf die letzten zehn Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Kader und der sich anschließenden Tätigkeit als DJKB-Instrucor sieht Osterkamp bei seinen Lehrgängen viele ältere Karateka, die nach Jahren der Abstinenz plötzlich wieder dabei sind. Offensichtlich suchen sie etwas im Karate. Natürlich hat er als Instructor neben den technischen Fertigkeiten den Trainierenden auch etwas als Lehrer und Persönlichkeit zu geben. Diesen Reifungsprozeß hat er durch seine Lehrtätigkeit erfahren. Als Trainer muß man seine eigenen Fehler erkennen, sie zugeben und an einer positiven Wandlung arbeiten: „Die Schüler müssen die Ernsthaftigkeit und Ehrlichkeit des Trainers spüren.“ Allerdings kann der Lehrer dafür auch von den Schülern diese Ehrlichkeit bei ihrem Trainigseinsatz erwarten. Er kann nicht nur geben, er muß auch eine Rückmeldung für seine Motivation empfangen. Durch sein Karateverständnis und die Art der Vermittlung hat sich im Laufe der Jahre ein fester Stamm an Karateschülern um ihn geschart. Was kann sich ein Instructor schöneres wünschen?!

Auf die Frage, ob es im Karate eine Weiterentwicklung gibt oder geben kann, gibt der DJKB-Instructor eine klare Antwort: „Es gibt nichts Neues mehr im Karate, keine neue Technik.“ Allerdings variieren die Interpretationen und die Perspektiven, von daher ist Karate durchaus etwas Dynamisches. Die Veränderungen des Körpers durch den Alterungsprozeß sind beim Training und durch den Trainer zu berücksichtigen.

Wenn eine Technik verändert wird, um sie spektakulärer aussehen zu lassen, dann ist das eigentlich kein Karate mehr im klassischen Sinn, abgesehen von möglichen Gesundheitsschädigungen: „Wenn die Technik verändert wird, wie z.B. der Mawashi-geri mit dem Knie nach unten, dann führt das auf Dauer zu erheblichen Schäden am Bewegungsapparat.“

T. Osterkamp muß leider feststellen, daß Karate heute anders als vor zwanzig Jahren praktiziert wird: „Die mentale Belastbarkeit scheint geringer. Es ist eine gewisse Laxheit, eine mangelnde Selbstdisziplin, nicht im böswilligen Sinn, festzustellen. Ein wenig mehr explosive Mischung wäre sicherlich förderlich. Es fehlt heute die letzte Konsequenz.“ Bei den früheren sogenannten „Bundesbestenlehrgängen“ (BBL), Lehrgänge für Schwarzgurte, standen die A- und B-Kaderathleten stets in der ersten Reihe. Beim Kumite mußten die übrigen Teilnehmer bei einem solchen Lehrgang erst einmal an diesen „harten Brocken“ vorbeikommen. Aber diese Nationalkämpfer haben den Nachwuchs auch „gezogen“.

Das Fazit Torobio Osterkamps nach vielen Jahren als Kaderathlet und DJKB-Instructor: „Körperliches Tun führt zu einer gewissen geistigen Frische.“

© Dr. Fritz Wendland