Die Karatewelt verliert eine der wichtigsten Persönlichkeiten überhaupt. Am 7. Oktober 2019 verstarb der in Südafrika gebürtige Karate Großmeister Stanley Schmidt, einen Tag nach seinem 83. Geburtstag. Die Karatepersönlichkeit Stan Schmidt, die ihr ganzes Leben der japanischen Kampfkunst widmete, verbrachte seine letzten Jahre zusammen mit der Familie seines nicht minder berühmten Schwiegersohns, Keith Geyer, in Melbourne/ Australien. Von dort leitete er zwar noch als „Graue Eminenz“ die Geschicke in seiner Heimat, übergab die faktische Führung aber an seinen Nachfolger Johann LaGrange, der uns auch in Deutschland schon zu überzeugen wusste.
Die Person Stan Schmidt nur als Karate-Gigant zu bezeichnen, wird der Sache einfach nicht gerecht. Nicht nur seine Körpergröße von beinahe 2 Meter und sein damaliges Kampfgewicht von über 100 kg machten ihn groß. Seine wahre Größe aber war, was er für die weltweite Karateszene bedeutete. Wir heute mit unseren hohen Dangraden können uns gar nicht mehr vorstellen, wie es zu seiner Zeit in den Gründerjahren des internationalen Karate war, als er 1963 das erste Mal japanischen Boden betrat, um als Autodidakt, der bisher nur aus Büchern gelernt hatte, an der Quelle der Kunst zu trinken.
Egal in welchem Verband wir heute zu Hause sind, maßgeblich für die weltweite Verbreitung des Karate im Allgemeinen und des Shotokan im Besonderen ist und war die JKA. Ihre Instruktoren, die das Credo der japanischen Kampfkunst in die Welt trugen, machten es überhaupt erst möglich, dass Karate bis in die kleinsten Dörfer auf dem gesamten Globus drang. Namen wie Nishiyama, Kanazwa, Okazaki, Kase, Shirai, Enoeda, Ochi, Fujinaga, Sugimura, Naito und Ohta waren und sind teilweise noch die Verkünder, die ihre Heimat verließen und sich für ein Leben im Ausland entschlossen, um ihre Kunst zu verbreiten.
In der JKA war es zu Zeiten als Stan Schmidt 1963 zum ersten Mal in Japan sein Training begann, schier unmöglich als Ausländer einen Schwarzen Gürtel zu erreichen. Seine Weggenossen waren damals unser verstorbener Kölner Karatesamurai Horst Handel und der immer noch in Japan lebende C.W. Nicol. Allen voran erreichte Sensei Stan sein Ziel und wurde der erste Schwarzgurt unter den Weißgesichtigen. Später und das ist viel wichtiger, wurde er weltweit der erste Nicht-Japaner, der den Dritten Dan erhielt. Bisher dachte man, das wäre für einen Nicht-Japaner einfach unmöglich. Damit öffnete er ein Tor für alle „Westler“. Der „Sandan“ war somit keine japanische Domäne mehr. Die folgenden Dane des Südafrikaners bis hin zum 7. Dan, bei dem auch er zwei Anläufe benötigte, schoben die Barriere für alle anderen dann weiter nach vor und heute sind diese Dan-Graduierungen auch in der JKA für alle Nationen offen.
Etwas Besonderes war dann seine Berufung in den Shihan-kai, die Vereinigung der Großmeister, die bis dato sonst nur von Japanern besetzt war. Eine Ehre die sein unermüdliches Streben im Dienst des Karate und der JKA würdigte. Sein Können und Wissen setzte ihn an den Tisch gemeinsam mit Nakayama, Ueki, Tanaka, Osaka, Iida und andere mehr.
Aber auch zu Hause in seinem Land war er stets tätig gewesen und neben seinem eigenen rigorosen Training baute er eine Karatenation auf, die Japan nicht weit nachstand. Seine Mitstreiter und Nachfolgegenerationen in Südafrika sind die in Deutschland so bekannten Namen wie Ken Wittstock, Keith Geyer, Derrick Geyer, Johan LaGrange, Warren Baynton, Bruce Smith und der JKA Weltmeister von Philadelphia, Pavlo Protopapa. Hier schaffte übrigens auch unser DJKB-Team einen sagenhaften Vizeweltmeistertitel, nachdem es die japanische Nationalmannschaft aus dem Turnier warf.
In seinen spirituell angehauchten Trainingseinheiten ging Stan Schmidt auch oft auf religiöse Aspekte ein. So war er ein treuer Anhänger des christlichen Glauben, aber wenn es um sein Karate ging, war sein Leitmotiv und die Quintessenz der von ihm abgewandelte Ausspruch Gichin Funakoshis: „Good spirit first, then technique.“ Kampfgeist vor Technik. So unterrichtete er auch zu Zeiten der Rassentrennung die schwarzen Karatekämpfer selbst in den verruchten Ghettos seiner Heimat.
Sein gutes Verhältnis zu Deutschland beruhte auf der Hochachtung vor unserem Chef-Instruktor Hideo Ochi. Sensei Ochi stellte wie auch Sensei Kanazawa das Karate immer vor die Probleme der Apartheid und der südafrikanischen Isolation und ließ die Karateka dort nicht im Regen stehen. Er besuchte und unterrichte dort.
Nun kann Meister Stan Schmidt nicht mehr nach Deutschland auf einen Gasshuku kommen, aber sein Andenken werden wir hier in Ehren halten.
Ruhe in Frieden unser großer Freund und Meister
GASSHUKU e. V.
Vorstand mit Mitglieder
(Text mit freundlicher Genehmigung von SCHLATT)