Shigeru Takashina (†)

JKA-Instructor der ersten Stunde

Der 2013 verstorbene JKA-Instructor Shigeru Takashina unterrichtete erstmals in Deutschland beim traditionellen Osterlehrgang in Frankenthal. Eine größere Karategruppe lernte ihn beim Kata Special in Füssen-Schwangau im Jahre 2002 kennen. DJKB Chief-Instructor Ochi war mehrmals bei S. Takashina in Florida zu dessen Trainingscamps als Lehrer eingeladen worden.

Shigeru Takashina durchlief die „klassische“ Karriere eines JKA Instructors. Geboren am 28. September 1943 in Hiroshima überlebte er den Atombombenangriff auf seine Heimatstadt nur dadurch, daß seine Familie am Stadtrand wohnte und so den tödlichen Strahlen entging. Mit Karate kam er als 16jähriger Schüler der Asian High-School in Fukuyama in Berührung. Er trainierte damals in einem Stadt-Dojo, da Karate an seiner Schule nicht angeboten wurde. Nach Abschluß der High-School wechselte S. Takashina an die Ryukoko-Universität in Kyoto. Hier wurde Sensei Kawakami sein Karate-Lehrer. 1966 schloß er sein Betriebswirtschaftsstudium mit dem Diplom ab.

Während seiner Studentenzeit nahm er mehrmals an den All-Japan College Championships teil. Da es sich um eine All-Style-Meisterschaft handelte, wurde nur Kumite-Shiai als Wettkampfdisziplin ausgetragen. Bei einem Besuch in Kyoto, das zum Kansai-Distrikt gehört, bat JKA Chief-Instructor Masatoshi Nakayama um Entsendung des besten JKA-Karateka aus diesem Bezirk zur Instructor-Class nach Tokyo. Bisher hatte noch kein Karateka aus diesem Bezirk an einem Instructor-Lehrgang teilgenommen. Die Instruktoren stammten vornehmlich aus der Region Tokyo (Kanto-Distrikt). Die Wahl fiel auf S. Takashina. So wechselte er nach kurzer Berufspraxis 1966 nach Tokyo zum JKA Honbu Dojo, um sich den Mühen und Qualen der zweijährigen Instructor-Ausbildung zu stellen. In seiner Klasse war außer ihm nur noch ein zweiter Anwärter, der aber nach einem Jahr aufgab. So beendete Sensei Takashina 1968 mit Erfolg seine Ausbildung und stand nun als Instructor der JKA zur Verfügung. Ein Jahr vor ihm hatten die Instruktoren Yukichi Tabata und Takeshi Oishi die Ausbildung abgeschlossen, ein Jahr nach ihm die Instruktoren Norihiko Iida, Takahashi (tödlich verunglückt) sowie Hideki Okamoto (seit 30 Jahren in Ägypten).

Natürlich nahm Sensei Takashina während seiner Zeit am Honbu Dojo an den JKA-Meisterschaften sowohl im Kumite wie in der Kata teil. 1970 errang er den 3. Platz im Kata-Shiai hinter den Instruktoren Takahashi und Yamaguchi. Im gleichen Jahr war er Captain der japanischen Nationalmannschaft bei den ersten Weltmeisterschaften der WUKO in Tokyo. Bekanntlich durfte Japan bei dieser ersten Weltmeisterschaft drei Teams stellen, die dann auch die ersten drei Plätze errangen.

Im Jahre 1972 entsandte ihn die JKA auf Vorschlag von Chief-Instructor Nakayama in die Vereinigten Staaten nach Florida, wo er auch heute noch mit seiner Frau und Tochter lebt. Er war damals, und ist es heute noch, der jüngste JKA-Instructor in den USA nach den Meistern Hidetaka Nishiyama, Masataka Mori, Teruyuki Okazaki, Takayuki Mikami und Yutaka Yaguchi. Heute ist Takashina-Sensei als Instructor innerhalb der South Atlantic Karate Association zuständig für den südöstlichen Teil der USA sowie die Länder Costa Rica, Puerto Rico, Panama und Ecuador. Nach dem Bruch mit den Meistern Nishiyama und Mori (International Traditional Karate Federation ITKF) gründeten die anderen JKA-Instruktoren in den USA die International Shotokan Karate Federation, die hauptsächlich das JKA-Karate auf dem gesamten amerikanischen Kontinent vertritt. Dabei entstand die verwirrende Situation, daß Meister Masataka Mori (New York) einerseits weiterhin in der JKA war, andererseits aber auch das von H. Nishiyama entwickelte komplizierte ITKF-System vertrat.

Welches Ziel verfolgte S. Takashina mit seinem Karate-Unterricht? Er wollte seine Schüler zu „guten Karateka ausbilden.“ Darunter verstand er ausschließlich die Lehre guter Techniken und guten Verhaltens. Karate-Politik interessierte ihn nicht. Seine Schüler waren frei in ihren Entscheidungen und konnten bei Meisterschaften starten, wo sie wollten. Allerdings sah er die Entwicklung von Sport-Karate und Budo-Karate strikt getrennt. Während das Sport-Karate als Ziel die Teilnahme an olympischen Spielen anstrebt und sich in seiner technischen Gestaltung den vermeintlichen Medienkriterien und dem Publikumsgeschmack unterwirft bzw. anpaßt, ist das alles für Budo-Karate nicht wichtig. Zweifellos macht auch das Budo-Karate eine Entwicklung durch, aber sie vollzieht sich bei den einzelnen Karateka selbst mit fortschreitendem Alter. D.h., der älter werdende Karateka entwickelt bei beständigem Training und Bemühen ein anderes bzw. tieferes Verständnis für die drei Basis-Elemente des Karate, Kihon, Kata und Kumite. So hatte er selbst in jungen Jahren manche Techniken und Trainingsprozesse mißverstanden. Das macht Karate gerade so interessant, daß sich mit jedem Alter neue Perspektiven eröffnen. So kann man den Unterschied zwischen Sport-Karate und Budo-Karate auf den Punkt bringen: Im Sport-Karate wird die Entwicklung von außerhalb des Karate liegenden Bereichen wie Olympia, Medien und Publikum durch Verbandsführungen zielgerichtet gesteuert. Im Budo-Karate hingegen bleibt die Technik gleich, aber die Entwicklung läuft innerhalb des einzelnen ständig sich bemühenden Karateka in seiner individuellen Erkenntnis ab.

Meister Funakoshi sagte einmal, für Karate brauche man nur zwei Quadratmeter zum Training. Also kann der Karateka eigentlich überall und unter allen Bedingungen seine Übungen durchführen. Falls jemand an Wettkämpfen teilnimmt, dann ist diese Zeit auf maximal zehn bis fünfzehn Jahre beschränkt. Es ist also nur eine Periode im Leben eines Karateka. Meister Nakayamas Forderung nach Vervollkommnung des Charakters durch Befolgung der Prinzipien des Dojo-Kun gilt besonders für die Danträger, die mit gutem Beispiel vorangehen sollten. Insofern hielt S. Takashina die Spaltung der JKA mit den nachfolgenden Zivilprozessen auch für eine Schande. Diese Ereignisse warfen kein gutes Bild auf die JKA, da etliche der hohen Dan-Grade im Grunde die Prinzipien des Dojo-Kun eben nicht befolgt bzw. ihren Schülern vorgelebt hatten.

Takashina-Senseis Devise lautete: „Wer Karate lernt, lernt viele Dinge über sich selbst. Bereiche, in denen man stark und andere, in denen man schwach ist. Durch das Training gewinnt man Erfahrung, die einem Fähigkeiten und Urteilsvermögen vermitteln. Das beginnt umso schneller, je eher man die Sorge um Sieg oder Niederlage hinter sich läßt. Wir alle müssen lernen, mit unseren Mitmenschen, mit uns selbst und unserer Umwelt in Frieden zu leben. Im Dojo trainieren wir für das Leben.“

© Dr. Fritz Wendland